Wir alle müssen zu Gesundheitsbotschafter*innen werden

Österreich war eines der ersten Länder, die eine eigene Contact Tracing App zur Verfolgung von COVID-19 Infektionen am Markt hatten. Was jedoch zu einem europäischen Prestigeprojekt für e-Health hätte werden können, entwickelte sich zu einem PR-Desaster und lieferte mehr Material für Verschwörungstheorien als für Gesundheitsexpert*innen.

Christoph Tockner (Managing Director NOVID-20), Irene Fialka (CEO INiTS) und Christof Tschohl (Co-Founder epicenter.works) diskutierten im Alpbach Hub NÖ live über die Gründe für das initiale Versagen der App, die Lessons Learned, und ob es mit der zweiten Welle vielleicht auch eine zweite Chance für die App gibt.

Rechenmodelle zeigen, dass es ähnlich wie bei Impfungen, auch bei einer Contact Tracing App eine Schwelle zur Herdenimmunität gibt. Würden rund 80 Prozent der Bevölkerung durchgehend eine derartige App nützen, könne man allein dadurch – ohne zusätzliche Maßnahmen – die Pandemie in Schach halten. Jedoch zeigen Umfragen, dass momentan nur ca. 15% der österreichischen Bevölkerung die App des RK verwenden. Im Publikum war es immerhin die knappe Hälfte.

Die Speaker waren sich darin einig, dass die Hauptschuld für die schlechte öffentliche Akzeptanz einer inkonsistenten PR-Strategie in den Wochen vor und nach der Veröffentlichung zuzuschieben ist. Laut Tschohl war der schlimmste Fehler, anfangs zu sagen „Lasst uns jetzt bitte nicht über Datenschutz reden, wir müssen auf die Rettung von Menschenleben fokussieren“. Außerdem hätte man es niemals zur Diskussion stellen sollen, ob die App verpflichtend gemacht werden könnte.

Auch dass die Datenschutzexpert*innen in ihrer Kommunikation nicht unisono waren, habe der öffentlichen Akzeptanz der App geschadet. Den Speakern war allerdings noch immer unklar, warum eine derartige App auf so starken Widerstand stieß, wohingegen doch Facebook & Co. offensichtlich wesentlich mehr Daten sammeln, und dennoch breit akzeptiert werden.

Die Frage aus dem Publikum, ob denn eine Verpflichtung zur Installation noch immer zur Diskussion stehe, wurde mit einem klaren, einstimmigen „Nein“ beantwortet. Tschohl als Experte für digitale Menschenrechte merkte an, dass eine App-Pflicht aus Prinzipien der Menschenwürde und Selbstbestimmung nicht denkbar sei. Außerdem würde man bei der Inklusion auf Probleme stoßen, da viele Menschen gar kein Smartphone hätten, oder die App nicht verwenden könnten. Fialka meinte, sie würde eher eine allgemeine Maskenpflicht unterstützen, als eine Installationspflicht für die App. Tockner sprach sich auch dagegen aus, schlug aber zusätzlich vor, Alternativen zur Smartphone-App anzubieten, beispielsweise einen Contact Tracing – Schlüsselanhänger, da bei diesem klar sei, dass er keine persönlichen Daten sammeln könne.

Fialka merkte zusätzlich an, dass man unbedingt in der Kommunikation den Unterschied zwischen Tracking und Tracing erklären müsse. Da bei der RK App kein (GPS-lokalisiertes) Tracking stattfindet, sondern reines Tracing (ein anonymisiertes Protokoll von Kontakten mit Smartphones in der nahen Umgebung), sei der Datenschutz bereits im Design der App integriert.

Auf die Frage, ob man vom Umgang mit Impfgegner*innen etwas Nützliches für die Kommunikation der Contact Tracing App lernen könne, betonte Tockner die Wichtigkeit des richtigen Umgangs mit den größten Skeptiker*innen. Diese seien eine Gefahr, da sie Normalbürger*innen mit ihrer Skepsis „infizieren“ können. Letztlich betonte Tschohl die Wichtigkeit von Engagement aus dem Zivilbereich. Noch mehr staatlich finanzierte Fernsehwerbungen würden nichts bringen, da der skeptische Teil der Bevölkerung diesen ohnehin nicht vertraue. Stattdessen müssen wir als bürgerliches Vorbild wirken, oder in seinen Worten „alle zu Botschafter*innen für die App werden“. Also in diesem Sinne noch einmal der Aufruf: Jede einzelne Neuinstallation der App verhindert potenziell den nächsten Supercluster. Also installieret zahlreich! (Wobei einmal pro Person genügen dürfte.) Wir müssen gemeinsam Botschafter*innen für Contact Tracing werden, und dabei lauter sein als die digitalen Anti-Vaxxer.

von Johannes Ambrosch